Polytope im IR 4 (= Polychora) |
||||
|
Historisches Eines der ältesten Teilgebiete der
Geometrie ist die Beschreibung der regelmäßigen Polyeder im IR3. Die Wurzeln dieses Teilgebietes
reichen zurück bis vor die Zeit um 500 vor Christus. Umfangreichere Arbeiten wurden
wahrscheinlich erstmals um 400 vor Christus von Platon durchgeführt. Obwohl es
sichere Indizien gibt, dass er viele Ideen von anderen Autoren übernommen
hatte, werden die fünf regelmäßigsten Polyeder ihm zugesprochen und zu seinem Andenken
die Platonischen Polyeder oder die Platonischen Körper genannt. Platon beschreibt
Polyeder „höchster Perfektion und Harmonie“, die nur aus gleichen Flächen
bestehen und deren Flächen selber alle gleich lange Kanten und gleich große
Winkel haben (also selbst regelmäßig sind). Seine Arbeiten über diese Körper hatten
nicht nur große Auswirkungen auf die Mathematik im Allgemeinen und die
Geometrie im Speziellen, sondern auch auf die Philosophie, die Astronomie, die
Astrologie und auf viele andere Wissensgebiete. Weitere Arbeiten zu regelmäßigen Polyedern
folgten um 250 vor Christus von Archimedes. Er beschreibt dreizehn Polyeder, deren
Flächen alle regelmäßig, aber nicht gleich sind. Auch diese Arbeiten über die
Archimedischen Polyeder hatten einen großen Einfluss auf viele Wissensgebiete. Diese und viele weitere Arbeiten, die im
Mittelalter und bis hinein in die frühe Neuzeit darüber verfasst wurden,
bezogen sich auf greifbare Objekte im 3-dimensionalen Raum (z.B. Johannes
Keplers Arbeiten über Polyeder). Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
– mit der Weiterentwicklung der klassischen hin zur projektiven und nichteuklidischen
Geometrie – tauchten erste Überlegungen zu höherdimensionalen geometrischen
Objekten auf. Schließlich waren es Ludwig Schläfli und Victor Schlegel (um 1850
bzw. 1883), die sich als erste mit 4- und höherdimensionalen Körpern („Polyscheme“)
befassten. Aber erst im 20. Jahrhundert bildete sich der allgemeine Begriff der
Polytope als Analogon zu Polyedern im n-Dimensionalen aus. Beide, Schläfli und Schlegel, befassten
sich jedoch hauptsächlich mit regelmäßigen Polytopen. Schläfli war der erste,
der zeigen konnte, dass es im 4-Dimensionalen sechs, in höheren Dimensionen
allerdings nur noch je drei regelmäßige (konvexe) Polytope gibt. Schlegel wurde bekannt
durch die nach ihm benannten Diagramme von Polyedern in der Ebene und von 4-dimensionalen
Polytopen im Anschauungsraum bzw. in der Ebene. Die ersten Arbeiten zu den halbregelmäßigen
Polytopen waren Anfang des 20. Jahrhunderts die Untersuchungen von Thorold
Gosset und Alicia Boole Stott. Allerdings wurde die Halbregelmäßigkeit immer
auf unterschiedliche Art definiert. Für Gosset waren halbregelmäßige Polytope
in n Dimensionen zusammengesetzt aus verschiedenen, aber selbst regelmäßigen
Polytopen niedrigerer Dimension. Boole Stott hingegen erlaubte schon die
Archimedischen Polyeder als Teile der Polytope. Erst Harold Scott Macdonald
Coxeter führte die Halbregelmäßigkeit genauer ein. Später folgten umfangreichere Arbeiten von
Norman Woodason Johnson, Willem Abraham Wythoff, John Horton Conway, Mike J.T. Guy
und Branko Grünbaum, um nur einige zu nennen. Alle befassten sich unter anderem
mit Teilaspekten der halbregelmäßigen Polytope. Allerdings konnte keiner einen
vollständigen Beweis über die Art und Anzahl dieser Polytope in Dimensionen größer
als 3 liefern. Lediglich Conway und Guy arbeiteten in den frühen 60er Jahres
des letzten Jahrhunderts an einem ersten Beweis; veröffentlicht wurde
allerdings nur eine zweiseitige Zusammenfassung. Erst 2004 wurde der erste vollständige
Beweis über die Art und und die Anzahl der Archimedischen Polytope im IR3 veröffentlicht. |